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@grar.de Aktuell - 16.01.2001

BLL: Sonderinformation zu BSE


(Bonn) - Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.
(BLL) hat in einer Sonderinformation die wichtigsten Fakten zur
BSE-Krise in Deutschland zusammengetragen:

1. Ausgangssituation

Bisher ist die Ursache der positiven BSE-Befunde bei deutschen Rindern
ungeklärt, insbesondere die Frage, warum nur einzelne Tiere in großen
Beständen erkranken konnten. Tiermehl darf in der EU seit 1994 nicht an
Wiederkäuer (Entscheidung 94/381/EG vom 27.6.1994) verfüttert werden, so
dass eine Übertragung auf diesem Weg ausgeschlossen sein sollte. In
Deutschland war es auch davor grundsätzlich nicht üblich, Tiermehl an
Wiederkäuer zu verfüttern. Zudem wird das seit 1998 in Europa verpflichtend
vorgeschriebene Verfahren der Tiermehlherstellung
(Hochdruck-Sterilisationsverfahren) hinsichtlich der Abtötung des
BSE-Erregers vom BgVV als sicher bewertet (BgVV-Pressedienst 26/2000 vom
28.11.2000).

2. Verbot von Tiermehlen

Dass es dennoch zu einem völligen Verbot von Tiermehlen auch für andere
Tiere gekommen ist, wurde nicht zuletzt durch die Erwartungen der
Öffentlichkeit an die Politik bewirkt. Die Bundesregierung hat am 1.12.2000
ein "Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen
Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel" erlassen, das neben dem
Verbot der Verfütterung von Tiermehlen auch das von tierischen Proteinen an
alle Nutztiere untersagt, mit Ausnahme von Milch und -erzeugnissen,
Fischmehl zur Verfütterung an Fische und Futtermittel, die unter die
Aufbrauchfrist fallen. Als Verschärfung wurden auch Gelatine, hydrolisierte
Proteine und Dicalciumphoshat mit in das Verbot einbezogen. Fette wurden
später per Verordnung ausgenommen. Diese Maßnahme sollte dazu beitragen, das
Verbrauchervertrauen wiederherzustellen. Die Initiative der Bundesregierung
hat zusätzlich zu einer europäischen Regelung geführt: Durch EU-Entscheidung
200/766/EG vom 4.12.2000 gilt das Verfütterungsverbot ab 1.1.2001 auch
europaweit, vorerst für 6 Monate. Eine Änderung der Entscheidung (2001/9/EG)
vom 29.12.2000 setzt Bedingungen für bestimmte verarbeitete tierische
Produkte fest.

3. BSE-Schnelltest

Die Bundesregierung und die Bundesländer haben darüber hinaus eine rasche
Ausweitung der sogenannten BSE-Schnelltests vorangetrieben, auch um weitere
verlässliche epidemiologische Erkenntnisse zur Verbreitung von BSE in
Deutschland zu gewinnen. Seit Anfang Dezember 2000 müssen in Deutschland
alle geschlachteten Tiere, die älter als 30 Monate sind, getestet werden
Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von Rindern auf BSE
vom 1.12.2000; BGBl. I S. 1659). Seit dem 1.1.2001 werden auch europaweit
alle Rinder über 30 Monaten auf BSE untersucht; (Entscheidung 2000/764/EG.
Geändert durch Entscheidung 2001/8/EG und VO(EG) Nr. 2777/2000. Dies wurde
und wird von uns sehr begrüßt. Allerdings haben die heute verfügbaren
Methoden nach wie vor Limitierungen: Sie können nicht beim lebenden Tier,
sondern nur nach der Schlachtung angewendet werden. Die für den Test
erforderliche Gewebeprobe kann nur aus dem Hirn entnommen werden; andere
Materialien (wie etwa Muskelfleisch bzw. Blut) eignen sich für die Tests
derzeit nicht. Mit den zur Zeit eingesetzten Testverfahren lässt sich die
Infektion sicher nur bei Tieren nachweisen, die mindestens 30 Monate alt
sind und bei denen die Erkrankung bereits deutlich fortgeschritten ist.
Negative Testergebnisse bei jüngeren Tieren sind nicht aussagekräftig
(BgVV-Pressedienst 26/2000 vom 28.11.2000). Der Aussagekraft der
Untersuchungsergebnisse sind insoweit Grenzen gesetzt, als ein negatives
Testergebnis nicht die absolute BSE-Freiheit der Tiere - unabhängig vom
Alter - garantieren kann (BgVV-Pressedienst 25/2000 vom 21.11.2000), da die
Menge der Erreger unter der Nachweisgrenze der Tests liegen kann. Es sind
Entwicklungen absehbar, die Schnelltests zu standardisieren und so weiter zu
entwickeln, dass die Nachweisgrenze gesenkt wird und die Ergebnisse damit an
Aussagekraft gewinnen. Wünschenswert wäre auch die Anwendungsmöglichkeit am
lebenden Tier. Im Kunden-Lieferanten-Verhältnis führen Forderungen nach
weitergehenden Schnelltest-Untersuchungen auch von Rindern unter 30 Monaten
(z.B. den 24 - 30 Monate alten Rindern) zu noch umfangreicheren Anwendungen
der Tests. Dies erscheint grundsätzlich als eine sinnvolle Maßnahme des
vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes, allerdings mit den
vorgenannten faktischen Einschränkungen. Dabei muss aber auch beachtet
werden, dass die notwendigen Kapazitäten erst schrittweise aufgebaut werden
können. Die Bewerbung mit der Angabe "BSE-getestet" bei Fleisch von Rindern,
die älter als 30 Monate sind, ist eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten
(BMG am 15.12. 2000). Die Bewerbung mit dem Wortlaut "BSE-frei" wird wegen
der begrenzten Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse als
Verbrauchertäuschung betrachtet ( BMG am 15.12.2000).

4. Zur Sicherheit einzelner Zutaten

Aus dem Mitgliederkreis wird - ebenso wie aus der Öffentlichkeit und den
Medien - eine Fülle von Fragen an den BLL gerichtet, die sich im
Wesentlichen auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Rindfleisch und
anderen Erzeugnissen vom Rind richten. Nach dem aktuellen Erkenntnisstand
der Wissenschaft ergibt sich folgendes Bild:

- Fleisch (Muskelfleisch) wird weitgehend als sicher bewertet. Bei Versuchen
mit Fleisch erkrankter Tiere konnte in keinem Fall eine Infektion erzeugt
werden (BgVV-Pressedienst 26/2000 vom 28. November 2000). Das
Infektionsrisiko bei Muskelfleisch ist somit als äußerst gering
einzuschätzen (DGE aktuell 31/2000 vom 28.11.2000). Es ist darüber hinaus
darauf hinzuweisen, dass seit 1. Oktober 2000 die sogenannten
Risikomaterialien, in denen sich der Erreger konzentrieren kann (Hirn,
Augen, Mandeln, Rückenmark und Teilen des Rinderdarms), nicht in die
Lebensmittelkette gelangen dürfen (Entscheidung 2000/418/EG vom 29.6.2000;
s. auch Ausführungen unter Ziffer 6.). Vom 1.1.2001 wurde die
Risikomaterialdefinition auf den Darm vom Duodenum bis zum Rektum vom Rind
jeden Alters ausgedehnt (Entscheidung 2001/2/EG vom 27.12.200, umgesetzt
durch die 1. VO zur Änderung der Fleischhygiene-VO vom 28.12.2000). Laut
BgVV ist das Fleisch von Schweinen, Geflügel und Fischen nach heutigem
Wissen in Bezug auf das BSE-Risiko als sicher anzusehen. Schafe können an
der BSE-ähnlichen Krankheit Scrapie erkranken. Solange wissenschaftliche
Fragestellungen hinsichtlich möglicher Zusammenhänge zwischen Scrapie und
BSE noch nicht beantwortet sind, besteht bei dem Verzehr von Schafen ein
gewisses Restrisiko, das derzeit wissenschaftlich nicht abgeschätzt werden
kann (BgVV-Pressedienst 26/2000 vom 28.11.2000).

- Für Wursthüllen aus Rinderdarm gilt seit dem 1.1.2001 die
Risikomaterialdefinition, die auf den Darm vom Duodenum bis zum Rektum vom
Rind jeden Alters ausgedehnt wurde (1. VO zur Änderung der Fleischhygiene-VO
vom 28.12.2000). Nach Angaben der Hersteller befinden sich ca. 80 % der
Würste in Deutschland in Schweine- bzw. Schafsdärmen (Saitlinge). Die
Europäische Kommission hat mit ihrer Entscheidung 2001/2/EG vom 27.12.2000
(Änderung der Entscheidung 2000/418/EG vom 29.6.2000) die
Risikomaterial-Definition ebenfalls angepasst. Als Risikomaterial gilt nun
der Darm vom Duodenum bis zum Rektum der Rinder jeden Alters sowie Schädel,
Hirn, Augen, Tonsillen und Rückenmark von über 12 Monate alten Rindern.

- Fleischextrakt als Basiszutat für Fleischbrühwürfel, Suppen, Brühen und
andere Erzeugnisse der Suppenindustrie wird ausschließlich aus Südamerika
bezogen (Verband der Suppenindustrie vom 10.1.2001). Für diese Region gibt
es keine Hinweise auf BSE.

- Es gibt wissenschaftlich übereinstimmend - national wie international -
keine Hinweise für eine Übertragbarkeit von BSE durch Milch und
Milchprodukte, die daher als sicher eingestuft werden (Pressemitteilung der
WHO Nr. 113/2000 vom November 2000; der Europäischen Kommission vom
17.5.1999; des SEAC (Spongiform Encephalopathy Advisory Committee) der
britischen Regierung vom Januar 1998; BgVV-Pressedienst 26/2000 vom 28.
November 2000; Feststellung der Bundesanstalt für Milchforschung vom 29.
November 2000). Nach den Erkenntnissen des Wissenschaftlichen
Lenkungsausschusses der EU vom März 1999 wurden weder in Milch noch in
Milchdrüsen BSE-Erreger nachgewiesen.

- Speisegelatine für Lebensmittel wird nach Angaben der Hersteller in
Deutschland zu 90 % aus Schweinen gewonnen, die restlichen 10 % aus
Rinderhäuten, bei denen keine Infektiösität nachgewiesen werden konnte
(BgVV-Pressedienst 26/2000 vom 28. November 2000). Nach einer Bewertung der
WHO wird Speisegelatine auf Basis vom Rind als sicher angesehen, wenn die
Herstellung nach solchen Verfahren durchgeführt wird, die mögliche Erreger
inaktivieren (WHO-Pressemitteilung Nr. 113, November 2000; Bericht des
Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses der EU vom 26. Januar 2000;
Feststellung der Bundesanstalt für Milchforschung vom 29. November 2000).
Die in Deutschland angewendeten Methoden entsprechen diesen Vorgaben
(BgVV-Pressedienst 26/2000 vom 28. November 2000).

- Talg wird nach einer Bewertung der WHO (WHO-Pressemitteilung Nr. 113 vom
November 2000) als sicher beurteilt, wenn die Herstellung nach solchen
Verfahren durchgeführt wird, die mögliche Erreger inaktivieren.


5. Etikettierung

Die Rindfleisch-Etikettierungsverordnung Nr. 1760/2000/EG vom 17.7.2000
schreibt für alle ab dem 1. Januar 1998 geborenen Rinder die Anbringung
zweier identischer Ohrmarken und einen Tierpass vor, der es ermöglicht, den
Weg des Tieres bis zum Geburtsbetrieb lückenlos zurückzuverfolgen. Alle
Mitgliedstaaten müssen darüber hinaus zentrale Datenbanken einrichten, in
denen die Lebenswege aller in dem jeweiligen Mitgliedstaat vorhandenen
Rinder dokumentiert werden. Seit dem 1. September 2000 sind zudem in allen
Mitgliedstaaten bei Vermarktung von Rindfleisch verpflichtend folgende
Angaben zu machen:

- Referenznummer oder Referenzcode, mit dem die Verbindung zwischen dem
Fleisch und dem Tier gewährleistet wird,

- Zulassungsnummer des Schlachthofs, in dem das Tier geschlachtet wurde

- Zulassungsnummer des Zerlegungsbetriebes.

Ab 1. Januar 2002 werden zusätzlich Angaben zum Ort der Geburt und Mast des
Tieres, von dem das Fleisch stammt, obligatorisch. In Deutschland sind auch
diese Angaben bereits ab Ende 2000 verpflichtend vorgeschrieben.


6. Neue Vorschläge gegen BSE

- National wurde vorgeschlagen, die Testung mittelfristig auch auf Rinder
über 24 Monate auszudehnen.


7. Schlussbetrachtung

In den letzten zehn Jahren sind die Erkenntnisse über BSE erheblich
gewachsen und es sind umfassende Maßnahmen - wie in dieser Information
beschrieben - ergriffen worden, um ein hohes Maß an Sicherheit für die
Verbraucher zu gewährleisten. Laufende wissenschaftliche Forschungen zielen
darauf ab, noch bestehende Wissenslücken zu schließen. Trotz immer wieder in
der Presse berichteter Einzelfälle, bei denen die nötige Sorgfaltspflicht
nicht eingehalten wurde, muss nochmals betont werden, dass die
Lebensmittelwirtschaft ihrer lebensmittelrechtlichen Sorgfaltspflicht
verantwortungsbewusst nachgeht, um dem Verbraucher weiterhin sichere und
qualitativ hochwertige Lebensmittel anbieten zu können.

Quelle: Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL),
Godesberger Allee 142-148, 53175 Bonn, Telefon: 0228-819930, Fax:
0228-375069, E-Mail

 


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