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@grar.de Aktuell - 08.08.2000

EU: Endgültige Schlußfolgerungen über das geographische BSE-Risiko


Brüssel - Der Wissenschaftliche Lenkungsausschuß (WLA) der EU hat heute
seine endgültige Stellungnahme zum geographischen BSE-Risiko sowie
ausführliche Bewertungsberichte für 23 Länder veröffentlicht. Die Analyse
beruht auf einem vom Wissenschaftlichen Lenkungsausschuß entwickelten
qualitativen Modell, das auf Informationen angewendet wurde, die die
betreffenden Länder freiwillig vorgelegt haben. In allen Ländern, in denen
bereits BSE-Fälle aufgetreten sind (Vereinigtes Königreich, Irland, Belgien,
Luxemburg, Niederlande, Frankreich, Portugal, Schweiz und Dänemark), ist
seit 1994 oder 1996 eine Stagnation oder ein Rückgang des geographischen
BSE-Risikos zu verzeichnen. Der Wissenschaftliche Lenkungsausschuß kam zu
dem Schluß, daß das Vorliegen von BSE in Italien, Spanien und Deutschland
unterhalb der Nachweisgrenzen der Überwachungssysteme dieser Länder
wahrscheinlich, in Österreich, Finnland und Schweden hingegen
unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen ist. Mit Ausnahme der Schweiz
wurden in keinem der neun bisher geprüften Drittländer BSE-Fälle
nachgewiesen. Der Wissenschaftliche Lenkungsausschuß folgerte daraus, es sei
höchst unwahrscheinlich, daß BSE in Australien, Chile, Norwegen, Neuseeland,
Argentinien und Paraguay auftrete. Daß BSE in den USA und in Kanada
vorliegt, ist nach Ansicht des Ausschusses unwahrscheinlich, jedoch nicht
ausgeschlossen.

Es muß betont werden, daß das geographische BSE-Risiko kein Indikator des
für den Menschen über die Nahrungsaufnahme bestehenden Risikos darstellt,
sondern einen qualitativen Indikator für das Risiko, daß sich lebende Rinder
mit dem BSE-Erreger infizieren. Das Risiko für den Menschen hängt auch vom
Risikomanagement ab. Der Ausschluß von spezifiziertem Risikomaterial (SRM)
wie Gehirn, Rückenmark und anderen Geweben mit möglicherweise hoher
BSE-Infektiosität aus der Nahrungskette senkt das Risiko für den Menschen
erheblich.

Diese Maßnahme gilt in der EU ab dem 1. Oktober 2000. Nach Aussage der
Wissenschaftler wird das geographische Risiko in der gesamten EU auch weiter
sinken, sofern die Maßnahme ordnungsgemäß umgesetzt wird. Damit setzt sich
die Entwicklung fort, die 1994 mit dem Verbot der Verfütterung von
Säugetierproteinen an Wiederkäuer und mit der Verordnung von 1996 begann,
die die Druck- und Hitzebehandlung von gefährlichen Stoffen vorschrieb. Die
genannten Maßnahmen trugen auch in Ländern, in denen keine BSE-Fälle
auftraten, zu dieser Entwicklung bei.

Etwa 50 externe unabhängige Sachverständige wurden mit dieser Analyse
beauftragt. Sie erstellten 23 Länderberichte zur Einschätzung des
geographischen BSE-Risikos. Sachverständige der einzelnen Länder gaben
Unterstützung durch Erklärungen, Erläuterungen und Ergänzungen der von den
Ländern zur Verfügung gestellten Informationen. Der Wissenschaftliche
Lenkungsausschuß weiß die aufgeschlossene Mitwirkung der meisten Länder sehr
zu schätzen, ebenso wie die ungeheuren Bemühungen seitens der unabhängigen
Sachverständigen. Als Dank an die vielen, die zu dieser Arbeit beigetragen
haben, hat der Wissenschaftliche Lenkungsausschuß ihre Namen im Anhang zur
Stellungnahme aufgeführt.

Konzept der Risikobewertung

Der Wissenschaftliche Lenkungsausschuß hat für diese Risikobewertung ein
neues Konzept entwickelt, das er in seiner Stellungnahme ausführlich
beschreibt. Es beruht auf einem vereinfachten, rein qualitativen Modell, das
die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Bereich
berücksichtigt. Nach diesem Konzept wird zunächst die Frage gestellt, ob es
möglich, wahrscheinlich oder sicher ist, daß der BSE-Erreger in ein Land
eingeschleppt wurde, und, wenn ja, wann dies geschah und in welchem Umfang.
Zweitens wird gefragt, ob der BSE-Erreger, falls er eingeschleppt wurde, in
die Futtermittelkette gelangt ist oder ob er eliminiert wurde. Ausgehend von
den Antworten auf die ersten beiden Fragen lautet die dritte: Wie hoch ist
die Wahrscheinlichkeit, daß heute eines oder mehrere Rinder infiziert werden
können?

Für die Mitgliedstaaten lautet die Antwort auf die erste Frage, daß es in
allen Fällen wahrscheinlich oder sicher ist, daß BSE-infizierte Tiere oder
BSE-kontaminierte Futtermittel eingeführt wurden, und zwar hauptsächlich
Ende der 80er Jahre, als das BSE-Risiko noch nicht in vollem Umfange bekannt
war und nicht realistisch eingeschätzt wurde. Die meisten Drittländer waren
dieser "äußeren Gefahr" nicht ausgesetzt, da sie keine oder nur geringere
Mengen von möglicherweise infizierten Tieren oder kontaminierten
Futtermitteln eingeführt haben.

Auf die zweite Frage läßt sich allgemein antworten, daß der BSE-Erreger in
den meisten Ländern Ende der 80er Jahre über die Futtermittelkette
verbreitet wurde. Während dies in den Mitgliedstaaten nun nicht mehr der
Fall ist, könnte es jedoch in vielen Drittländern immer noch vorkommen.
Diese beiden Entwicklungen zusammen erklären die Schlußfolgerungen des
Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses.

Die Stellungnahme erörtert auch, ob das WLA-Konzept mit dem BSE-Kapitel des
Internationalen Tiergesundheitskodex des Internationalen Tierseuchenamts
(OIE) vereinbar ist. Der WLA betrachtet seine Methode als eine von mehreren
Möglichkeiten zur Durchführung der Risikobewertung, die vom Internationalen
Tierseuchenamt gefordert wird. Die WLA-Methode stellt sicher, daß der
aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die BSE-Seuche in
vollem Umfang berücksichtigt wird. Dazu gehören insbesondere die
Erkenntnisse über den Hauptübertragungsweg und den langen Zeitraum zwischen
Infektion und Ausbruch der Seuche. Letzterer ist von besonderer Bedeutung,
da der Erreger bei der Entdeckung des ersten Falls bereits seit fünf Jahren
im Land ist. Die Stellungnahme geht auch auf Risikomanagementverfahren ein
wie geeignete Tierkörperverarbeitung, Verfütterungsverbote und
Verwendungsverbote für spezifiziertes Risikomaterial oder andere Maßnahmen,
die das Risiko des Einschleppens oder Verbreitens des BSE-Erregers wirksam
verringern. Durch die Verwendung einheitlicher Parameter werden die
Risikobewertungen für verschiedene Länder vergleichbar.

Transparenz des Verfahrens

Ein weiterer Vorteil liegt in der Transparenz des Verfahrens, das den
Vertretern der einzelnen Länder die Möglichkeit bietet, Mißverständnisse
aufzuklären und Erläuterungen zu geben. Die Offenheit dieses Verfahrens
zeigt sich daran, daß die Bewertung bei mehreren Ländern geändert wurde,
nachdem sie ergänzende Daten vorgelegt haben. Bei der öffentlichen Anhörung
zur vorläufigen Stellungnahme und den entsprechenden Länderberichten legten
die betreffenden Länder neue oder korrigierte Daten vor.

Jede Art von Risikobewertung hängt offenkundig von der Qualität der
verfügbaren Informationen ab. Der WLA hat festgestellt, daß die Qualität der
vorgelegten Daten sehr unterschiedlich war, und weiß die Prüfberichte des
Lebensmittel- und Veterinäramts zu schätzen, die, sofern verfügbar, eine
wertvolle Quelle für die Bestätigung der Daten waren. Allerdings hatten die
meisten Datensätze noch Lücken, und zum Zwecke dieser Risikobewertung wurden
vertretbare Worst-case-Annahmen verwendet. Um größtmögliche Objektivität zu
erzielen, wurde jedes Land von mindestens drei Sachverständigen bewertet,
und alle Berichte wurden abschließend von einem kleinen Team einer
eingehenden Prüfung unterzogen. Dies geschah hauptsächlich, um die
unvermeidlichen Bewertungsabweichungen zu glätten, bevor die Berichte dem
WLA zur endgültigen Genehmigung vorgelegt wurden.

Der vollständige Wortlaut der Stellungnahme und die jeweiligen
Länderberichte sind im Internet abrufbar.

 


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