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@grar.de Aktuell - 03.08.2000

HIT: Zentrale Tierdatenbank mit Löchern

Zeitschrift: Von Herkunftskontrolle zur BSE-Bekämpfung keine Spur


MÜNCHEN (agrar.de) - Nach Angaben der Zeitschrift 'Computerwoche'
weist die Datenbank des 'HI-Tier' (Herkunftssicherungs- und
Informationssystem für Tiere), die dem lückenlosen Herkunftsnachweis der
Bekämpfung von Seuchen wie BSE dienen soll, nennenswerte Inkonsistenzen und
weiße Flecken auf. Was für die Verantwortlichen von HI-Tier Schwächen in der
Startphase seien, stelle für Viehhändler, Bauern und Schlachter, die
Geburten, Verkäufe und das Ableben der Rinder melden müssen, ein Chaos dar,
das die Verbraucher gefährde.

Seit dem 26. September 1999 soll in Deutschland gemäß Viehverkehrsordnung
jede Geburt, Verbringung und Schlachtung bzw. Ableben von Rindern innerhalb
von sieben Tagen zentral registriert werden. Diese Maßnahme basiert auf der
EG-Verordnung 820/97. Veranlaßt durch die BSE-Krise 1996 wurden die
unterschiedlichen Kennzeichnungs- und Registrierungssysteme in den
EU-Mitgliedsstaaten harmonisiert, seitdem wird nicht nur der gesamte
Rinderbestand in der HI-Tier-Datenbank erfaßt, sondern auch alle
Bewegungsdaten (z.B. Betriebs- und Besitzerwechsel).

Mit Erstellung und Betrieb der HI-Tier-Datenbank beauftragten die
Bundesländer das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Forsten (StMELF), das beim Aufbau der Datenbank unter
erheblichem Zeitdruck stand.

Bei der derzeitige bundesweite Prüfung der Datenbankeinträge auf ihre
Richtigkeit müssen allein für den Stichtagsbestand vom Herbst vergangenen
Jahres 240.000 Rinderhalter und 15 Millionen Rinder überprüft werden. Für
die Bauern und Händler nach Meinung von Richard Carmanns,
HI-Tier-Projektleiter beim StMELF, eine zumutbare Aufgabe, die innerhalb
eines Monats zur Bereinigung des zentralen Datenbestands führen soll.

Wie die 'Computerwoche' berichtet, klappt nicht alles wie vorgesehen. So hat
die zuständige Regionalstelle in Nordrhein-Westfalen Listen verschickt, die
über den Erstbestand hinaus auch die Bewegungsdaten bis zum 31. März dieses
Jahres enthielten. Ob und in welchem Zeitraum sich sämtliche Einträge
tatsächlich kontrollieren und berichtigen lassen, sei bei dieser Datenmenge
offen. Allein der Landeskontrollverband in Münster gehe von rund 60.000
Datenfehlern bei etwa einer Million lebenden Tieren im Raum Westfalen-Lippe
aus. Angesichts dieser Größenordnung scheine der Verband den Überblick zu
verlieren.

Zudem: Von den An- und Verkäufe, die Landwirte und Händler seit Beginn
dieses Jahres per Internet an die Datenbank übermittelt, kommen offenbar
nicht alle an.

Da die Erfassungsart im Datensatz gespeichert wird, weiss die HI-Tier
Projektleitung, dass zirka 14 bis 15 Prozent der Informationen online
eingehen, 30 Prozent über das sogenannte Batch-Verfahren (als
Datensatzgruppen). Stürzt das System während einer Online- oder
Batch-Übertragung ab, können Daten verloren gehen. Erkennt der Anwender eine
entsprechende Fehlermeldung nicht, bleibt die Datenhaltung inkonsistent. Für
das Batch-System muss der meldende Betrieb über DV-Know-how verfügen, sonst
kann er möglicherweise die Übertragungsprotokolle nicht richtig
interpretieren. Solche Voraussetzungen können nach Ansicht der Zeitschrift
jedoch nur Großbetriebe schaffen.

Grundlage der HI-Tier-Datenhaltung ist eine DB/2-Datenbank der IBM, die auf
einem OS/390-Rechner läuft. Darauf greifen Java-Applikationen zu, die sich
jedoch als instabil erwiesen. Außerdem sei das Datenbanksystem bei 120.000
Meldungen pro Tag und ein paar hundert gleichzeitig aktiven Anwendern häufig
überlastet. In der Vergangenheit habe es zahlreiche Systemabstürze gegeben,
noch jetzt falle die zentrale Registrierung pro Woche etwa eine Stunde aus.
Großbetriebe wie die Westfleisch in Münster, die die Informationen von
elektronischen Waagen in die Buchhaltung geben, mit den Eintragungen in den
Tierpässen vergleichen und dann erst per Batch-Verfahren in die Datenbank
überspielen, haben laut Bericht kaum Schwierigkeiten mit doppelten oder
fehlenden Daten. Pro Woche kämen fünf bis sechs Problemfälle vor.

Neben der elektronischen Datenübermittlung besteht die Möglichkeit der
Meldung via Tastentelefon oder Postkarte. Bei der ersten Alternative fehlt
die visuelle Kontrolle, wodurch die Fehlerquote - etwa durch Zahlendreher -
steigt. Die Meldung über Postkarten, die zunächst an die
Landeskontrollbehörden gehen, ermöglichen Fehler beim Scannen oder beim
manuellen Erfassen nicht maschinenlesbarer Informationen. Schwierigkeiten
liegen offenbar auch darin, dass der zur Meldung verpflichtete Personenkreis
sehr heterogen ist.

Bis heute kann die Datenbank keine vertrauenswürdigen Auskünfte erteilen.
Ungereimtheiten im angeblichen Lebensweg einer Kuh ließen sich erst
aufdecken, wenn die Datenbasis stimmte und Plausibilitätsprüfungen, zum
Beispiel der Abgleich von An- und Verkaufsdaten, stattfinden könnten. Solche
Kontrollen werden laut HI-Tier-Chef Carmanns aber erst 'scharf geschaltet',
wenn der erste Datenabgleich stattgefunden hat.

Doch selbst dann bleibt das Datensystem nach Meinung der 'Computerwoche'
fragwürdig. Die dem Meldesystem immanenten Schwächen wie Eingabefehler,
verloren gegangene oder vertauschte Papiere bleiben bestehen, so dass die
Datensammler niemals eine widerspruchsfreie Datenbasis erhalten würden. Der
Deutsche Bauernverband gehe davon aus, dass, wenn die zentrale Registrierung
irgendwann optimal funktioniert, immer noch ein Fehlerquotient von zwei
Prozent bleibe.

 


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