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@grar.de Aktuell - 07.06.2000

Diskussion um neues Bundesnaturschutzgesetz


Berlin/Bamberg (agrar.de) - Bundesumweltminister Jürgen Trittin (GRÜNE) hat
heute die Eckpunkte für eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes
bekanntgegeben. Seine 'umfassende und konsistente Überarbeitung' des
Gesetzes stellte Trittin auf dem 25. Deutschen Naturschutztag in Bamberg
vor. 'Mit der Novelle wollen wir auch den Ausgleich zwischen
Nutzungsinteressen und dem Schutzbedürfnis der Natur und die Akzeptanz des
Naturschutzes verbessern. Die Novelle nimmt weitgehend Forderungen und
Vorschläge der Koalitionsfraktionen, der Länder und der Naturschutzverbände
auf' so der Minister.

Kernziel ist die Schaffung eines bundesweiten Biotopverbundsystems, die
Länder sollen hierfür mindestens 10 Prozent der Landesfläche durch geeignete
Maßnahmen (Schutzgebietsregelungen, planungsrechtliche Festlegungen,
Vertragsnaturschutz u.a.) dauerhaft sichern. Das Verhältnis von Naturschutz
und Landwirtschaft soll 'neu definiert' werden. Die bestehende Vorschrift
über Ausgleichszahlungen für Nutzungsbeschränkungen wird in eine
Rahmenregelung umgewandelt. Danach führen die Länder jeweils eigene
Nutzungsausfallregelungen ein. Daneben werden Anforderungen an die gute
fachliche Praxis in der Land- und Forstwirtschaft aus naturschutzfachlicher
Sicht formuliert. Der Hinweis auf den Vertragsnaturschutz bleibt erhalten.

Erstmalig wird im Bundesrecht die Verbandsklage eingeführt. Beim
Biotopschutz wird der Gedanke des Naturschutzes auf Zeit eingeführt. Zur
Stärkung des vorsorgenden Naturschutzes soll eine flächendeckende
Landschaftsplanung durchgeführt werden. Die Novelle, die das geltende
Bundesnaturschutzgesetz komplett abgelösen soll, bedarf nach Angaben des
Ministers nicht der Zustimmung des Bundesrates, da keine zusätzlichen
Verfahrensvorschriften in ihr enthalten sind.

Der Naturschutzbund NABU begrüßt die Ankündigung von Minister Jürgen
Trittin, die grundlegende Novellierung des Gesetzes in Angriff zu nehmen.
Lobenswert sei insbesondere die Einführung von Regeln für die gute fachliche
Praxis in der immer intensiver werdenden Landwirtschaft, die nach wie vor
Hauptverursacherin des Artensterbens sei, so NABU-Präsident Jochen Flasbarth
in einer Pressemeldung. Flasbath begrüßte auch, dass Trittin den 'Anspruch
auf Ausgleichszahlungen für fast alle Auflagen in der Landwirtschaft auf ein
vernünftiges Maß zurückfahren wolle'. Dieses 'Geschenk der alten
Bundesregierung an die Agrarlobby' habe dazu geführt, dass einige
Bundesländer ihre Naturschutzaktivitäten nahezu eingestellt haben.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) legte einen eigenen
Grundsatzkatalog für die Novelle vor. Der BUND fordert darin einem
Biotopverbundsystem auf 15 Prozent der Fläche Deutschlands, den erweiterten
Schutz von Kulturlandschaften und Flussauen sowie einen verbesserter
Hochwasser- und Grundwasserschutz. Vorrang erhalten solle auch die
nachhaltige Nutzung von erneuerbaren Naturgütern. Die umweltverträgliche
land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung der Natur müsse neu
definiert werden. Dazu gehöre die weitgehende Vermeidung synthetischer
Dünge- und Pflanzenschutzmittel, um Oberflächen- und Grundwasser vor
Verschmutzung zu schützen. Die landwirtschaftliche Produktion müsse
gentechnikfrei erfolgen, die genetische Vielfalt der Nutzpflanzen und Tiere
erhalten bleiben.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisiert Trittins Pläne. Die deutschen
Land- und Forstwirtschaft bewirtschafte über 30 Prozent der
landwirtschaftlichen Nutzfläche nach speziellen naturschutzfachlichen
Gesichtspunkten auf vertraglicher Basis. Damit leiste die Landwirtschaft
einen entscheidenden Beitrag zur Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft
sowie der Arten- und Biotopvielfalt. Dieses Engagement gelte es zu fördern,
erklärte der Verband anlässlich des Naturschutztages.

Das erst 1998 novellierte Bundesnaturschutzgesetz bevorzuge zurecht den
Vertragsnaturschutz gegenüber verwaltungsrechtlichen Auflagen und regele den
verbindlichen Ausgleichsanspruch für erhöhte Anforderungen gegenüber einer
Nutzung nach der guten fachlichen Praxis in der Land- und Forstwirtschaft.
Diese Regelungen müßten erst auf Länderebene in die Tat umgesetzt werden,
damit die Akzeptanz und Wirksamkeit des Naturschutzes sowohl in der Land-
und Forstwirtschaft erhalten bleibe, betonte der DBV.

Durch das geplante Biotopverbundsystem mit 10 Prozent der Landesfläche
verstärke der Naturschutz die schon bestehende Flächenkonkurrenz. Die in den
land- und forstwirtschaftlichen Fachgesetzen geregelte gute
landwirtschaftliche Praxis sichere ein möglichst konfliktfreies
Nebeneinander von Nahrungsmittelerzeugung, von Natur-, Wasser- und
Emissionsschutz sowie von Ansprüchen der Gesellschaft bei Freizeit und
Erholung. Betreiberpflichten im Naturschutz würden vom Bauernverband dagegen
strikt abgelehnt. Naturschutz sei eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und
dürfe nicht zu Lasten der Landwirte durchgeführt werden. Auch stellt der
Verband die Frage, wie die weitreichenden Forderungen des
Bundesumweltministers im Naturschutz angesichts leerer Kassen der Länder und
des Bundes langfristig zu finanzieren seien.

Der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann,
forderte anläßlich des Naturschutztages, die Agrar-Subventionen künftig
stärker an Naturschutzleistungen zu koppeln. 'Ziel muss es sein, dass der
Naturschutz künftig ... nicht mehr als Juniorpartner der Landwirtschaft
agieren muss, sondern mit den Selbstverständnis und in der Bedeutung, die
dem Naturschutz unter den neuen handelspolitischen Bedngungen und bei der
internationalen Bedeutung des Themas 'Erhaltung biologischer Vielfalt'
zukommt'. Das 'zweite Säulchen' der gemeinsamen Agrarpolitik müsse sich im
Interesse aller gesellschaftlichen Gruppen mit dem Naturschutz zu einem
echten Standbei entwickeln.

 


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