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@grar.de Aktuell - 29.11.1999

Herbsttagung der Agrarsozialen Gesellschaft


Göttingen (agrar.de) - Das 'Bündnis für Arbeit', 'arbeitsmarktpolitische
Initiativen für ländliche Räume', die AGENDA 2000 und die Zukunft der
europäischen Landwirtschaft waren zentrale Themen der diesjährigen
Herbsttagung der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG) in Göttingen.

Dr. Hans-Hermann Bentrup, Vorsitzender des Vorstandes der ASG, sieht 'das
Thema Bündnis für Arbeit mit der wichtigen Frage, wie wir die hohe
Arbeitslosigkeit senken können' das Kernthema unserer Gesellschaft. Das
gelte für alle Bereiche: die ländlichen Räume und die industriellen
Ballungsregionen in den alten Bundesländern, und erst recht in den neuen.
Die Herausforderung dieses Themas sei, 'für alte Probleme, die sich uns
entgegen drängen, neue Entwicklungen aufzugreifen'.

Agenda 2000,Agenda 21 und die aktuellen WTO-Verhandlungen haben starken
Einfluß auf die Landwirtschaft und den ländlichen Raum. Bentrup betonte,
dass das Kriterium der Nachhaltigkeit in die Weltwirtschaft einzufügen und
anzumahnen sei. Er erinnerte daran, dass es bei den letzten
WTO-Verhandlungen 1992 nicht gelungen war, das durch die Agenda 21
beschworene Thema Nachhaltigkeit in die Schlussrunde einzubeziehen. 'Uns
alle sollte demnächst beschäftigen, wie nachhaltig eine Welthandelsordnung
gestaltet werden kann, wie nachhaltig Rahmenbedingungen geschaffen werden
können, unter denen in der Welt gehandelt, gearbeitet und gewirtschaftet
wird.' Die Chancen, in Seattle erneut das Thema nachhaltiges Wirtschaften in
die Tagesordnung aufzunehmen, sah er als gering an. Die ASG werde sich
deshalb auch bei den nächsten Tagungen weiterhin mit dem Spannungsfeld
zwischen Agenda 21 und Agenda 2000 auseinandersetzen.
Die in Mölln stattfindende Frühjahrstagung der ASG vom 24.- 26. Mai 2000
soll deshalb unter anderem praxisnahe Beispiele zum Agenda-21-Thema 'Global
denken, regional handeln' vorstellen.

Prof. Dr. Hermann Schlagheck, Ministerialdirektor im Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) referierte zur
'Arbeitsmarktpolitische Initiative für die Land- und Forstwirtschaft und den
ländlichen Raum' der Bundesregierung. Das BML habe ein mittlerweile dem
Bundeskanzleramt übermitteltes Grundsatzpapier erarbeitet, in dem Papier
beschäftigungswirksame Ansätze u. a. in den Bereichen Bildung und Beratung
im ländlichen Raum, Gemeinschaftsaufgabe 'Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes' und der Umnutzung ehemals landwirtschaftlich genutzter
Gebäude erörtert werden. Mit einer Beratung am 11.10.1999 sei die
'Arbeitsmarktpolitische Initiative für die Land- und Forstwirtschaft und den
ländlichen Raum' auf eine breitere Basis gestellt. Durch die Einbeziehung
von Vertretern des 'Aktionsbündnisses Ländlicher Raum', der Agrarsozialen
Gesellschaft, Verbänden und Einzelpersonen, die sich im ländlichen Raum in
besonderem Maße für die Überwindung der hohen Arbeitslosigkeit einsetzen
werde gewährleistet, dass bei der Suche nach Lösungen auf ein vielfältiges
Spektrum beschäftigungswirksamer Ansätze zurückgegriffen werden kann.
Chancen für eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation und die Schaffung
zukunftssicherer Arbeitsplätze im ländlichen Raum bestehen nach Ansicht des
BML im Dienstleistungsbereich und bei der Nutzung moderner Technologien.

Dr. Martin Wille, Staatsekretär im BML nannte in seinem Festvortrag die
Liberalisierung des Agrarhandels und das Erreichen von Wettbewerbsfähigkeit
sowie eine Multifunktionalität mit Integration der Belange des Verbraucher-,
Umwelt- und Tierschutzes als zentrale Aufgaben, die ein europäisches
Landwirtschaftsmodell der Zukunft erfüllen müsse.

Schritte in diese Richtung seien mit der Reform der europäischen
Agrarpolitik getan worden. Mit der Agenda 2000 werde mehr Marktorientierung,
eine stärkere Umweltorientierung und eine integrierte Politik für den
ländlichen Raum umgesetzt.

Wesentlich werde die Zukunft des europäischen Landwirtschaftmodells vom
Ausgang der bevorstehenden WTO-Verhandlungen in Seattle abhängen. Bereits in
Artikel 20 des GATT-Agrarabkommens sei die Fortsetzung des
Liberalisierungsprozesses mit dem Ziel einer wesentlichen Senkung der
Stützungs- und Schutzmaßnahmen festgelegt worden. In den bevorstehenden
Verhandlungen werden jedoch auch die sogenannten 'non trade concerns' eine
gewichtige Rolle spielen, auch wenn beispielsweise die Gruppe der
Cairns-Länder und die Entwicklungsländer davon nichts wissen wollten.

Dr. Willi Schulz-Greve von der Generaldirektion Landwirtschaft der
Europäische Kommission erklärte, die EU habe sich für umfassende, kurze und
einheitliche Verhandlungen ausgesprochen. Es sollte nach Meinung des
Agrarministerrates und des Allgemeinen Rates kein Themenbereich
herausgelöst, sondern eine möglichst große Zahl von Wirtschaftsbereichen
einbezogen werden, um einen Kompromiss zu erleichtern. Die Uruguay-Runde
habe außerdem gezeigt, dass es problematisch sein könne, die Verhandlungen
in die Länge zu ziehen. Im Agrarbereich zeichnen sich laut Schulz-Greve vier
zentrale Bereiche für die Verhandlungen ab.

1.Die Zukunft bestimmter Elemente des Marrakesch-Abkommens:

Die Gemeinschaft schliesse zwar eine Aktualisierung der 'Blue box' und der
'Green box' nicht aus, bestehe aber auf deren Erhalt in einem neuen
Abkommen, weil sie die Voraussetzung für die Weiterentwicklung der
Gemeinsamen Agrarpolitik hin zu weniger handelsbeeinflussenden Instrumenten
sind. Vertragliche Sicherheit müsse auch weiterhin gewährleistet werden,
wie das bisher durch die Friedensklausel erreicht wurde. Die 'Besondere
Schutzklausel' habe sich als erfolgreich erwiesen und sollte wie bisher oder
in ähnlicher Form fortgesetzt werden.

2.Weitere Fortschritte bei den klassischen Agrarhandelsthemen auf der
Basis der Agenda 2000 Beschlüsse:


Als bedeutender Exporteur von Nahrungsmitteln habe die Gemeinschaft generell
ein Interesse daran, den Marktzugang zu verbessern. Der weitere Abbau von
Handelsbarrieren werde aber schon im Marrakesch-Abkommen als längerfristiger
Prozess gesehen, der nicht unbedingt mit der nächsten WTO-Runde durch eine
vollständige Aufhebung des Außenschutzes abgeschlossen werden müsse.

Der Abbau der Exporterstattungen wird von einigen Verhandlungspartnern
besonders lautstark eingefordert. Mit den Reformen der Agenda 2000 sollte
bereits die Notwendigkeit ihrer Nutzung sinken. Die EU hat sich bereit
gezeigt, über Zugeständnisse bei den Exporterstattungen zu verhandeln, unter
der Bedingung, dass auch über andere Formen der Exportstützung
(Exportkredite, Exportmonopole, Nahrungsmittelhilfe) verhandelt wird.

3.Berücksichtigung neuer Themen auf multi-lateraler Ebene, insbesondere
Multifunktionalität, Sicherheits- und Qualitätsstandards für Nahrungsmittel,
Umweltschutz, Tierschutz


Die Ministerräte der EU haben klargestellt, dass die multifunktionale Rolle
der Landwirtschaft nicht durch weitere Liberalisierung gefährdet werden
darf. Landwirte müssen auch weiterhin in der Lage sein, auch die
gesellschaftlich geforderten Leistungen zu erfüllen, die über die reine
Produktion von Nahrungsmitteln hinausgehen. Direktzahlungen sind das
entscheidende Instrument der Gemeinsamen Agrarpolitik, um die notwendigen
Anreize dafür bereitzustellen.

Fragen der Nahrungsmittelgesundheit und -qualität liegen in der
Schnittstelle zwischen Agrarverhandlungen und der Diskussion der SPS-
(Sanitary and Phytosanitary Agreements) und TBT- (Technical Barriers to
Trade) Abkommen. Neuere WTO-Entscheidungen haben die Zulässigkeit von
nicht-diskriminierenden, wissenschaftlich begründeten Maßnahmen bestätigt.
Ein allgemeiner Grundsatz, dass die WTO nicht dazu missbraucht werden
sollte, Produkte auf den Markt zu zwingen, bei denen berechtigte
Sicherheitsbedenken vorliegen, sollte in den Verhandlungen abgesichert
werden. Im Rahmen des TRIPS- (Trade related aspects on Intellectual Property
Rights) Abkommens wird auch über die geographischen Ursprungsbezeichnungen
zu verhandeln sein, die eine große Rolle für die Qualitätspolitik der EU
spielen.

In vielen WTO-Ländern sind die Tierschutzbestimmungen in den letzten Jahren
verschärft worden. Auf multi-lateraler Ebene muss deshalb ein Konsens über
die Einpassung in den WTO-Rahmen und die zulässigen Handelsmaßnahmen bei
Verstößen gegen gemeinsam vereinbarte Regeln gefunden werden.

4.Die EU legt besonderen Wert darauf, die besonderen Interessen der
Entwicklungsländer in dieser neuen WTO-Runde zu berücksichtigen.


Mit den bestehenden Präferenzabkommen räumt die EU den Entwicklungsländern
bisher Vergünstigungen ein, wodurch die EU zum größten Abnehmer von
Agrarprodukten aus Entwicklungsländern geworden ist. Die EU spricht sich für
weitergehende Zugeständnisse aller Industrieländer und auch der
Schwellenländer für die am wenigsten entwickelten Länder aus.

Wahl des ASG-Kuratoriums

Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Agrarsozialen Gesellschaft wurden
folgende Persionen neu ins Kuratorium gewählt: Mainhard Abel (Deutscher
Städte- und Gemeindebund, Hannover), StS. Dr Aloys Altmann (Ministerium für
Landwirtschaft und Forsten, Magdeburg), Dr. Ralf Bleicher (Deutscher
Landkreistag, Bonn), Peter Bleser (MdB Brachtendorf, Rheinland Pfalz),
Reinhold Hemker (MdB, Rheine, NRW), Thorsten Heite (Nieders.
Landgesellschaft, Hannover), Claus Kleine (DSL-Bank, Bonn), Steffi Lemke
(MdB, Dessau) und Dr. Wilhelm Peters (Ministerium für Landwirtschaft,
Forsten und Fischerei, Schwerin, MV).

Wiedergewählt wurden: MDirig. Dr. Dieter Blaschke (BML, Berlin),
Verbandsdir. Harald Deisler (Bundesverband der landwirtschaftlichen
Sozialversicherungsträger, Kassel), Karl Stumpf (Grünberg), Prof. Dr. Peter
Treuner (Inst. für Raumordnung und Entwicklungsplanung, Universität
Stuttgart) und Margit Weimeister (Landesverband der Landwirte im Nebenberuf,
Sachsen-Anhalt.

 


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