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@grar.de Aktuell - 17.08.1999

RWI kritisiert EU-Strukturpolitik

Mehr Kompetenzen für die Regionen gefordert


Essen (cre-a-m.com) - Kritik an der reformierten Strukturpolitik der
Europäischen Union (Agenda 2000) haben jetzt Wissenschaftler vom
Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI)
geübt.

Im heute vorgelegten Bericht "Die strukturpolitischen Reformen der
Europäischen Union" fordern die Autoren Beate Müller und Heinz Schrumpf
eine stärkere Rückübertragung regionalpolitischer Kompetenzen auf die
Mitgliedstaaten und einer Beschränkung der Strukturfonds auf die Zahlung
eines zweckgebundenen Finanzausgleichs.

Die Kritikpunkte im Einzelnen:

1. durch Übergangsregelungen wird der Umfang der geförderten Gebiete in den
nächsten sechs Jahren stark ausgeweitet

2. die Kriterien für ihre Auswahl werden nicht - wie angekündigt -
verringert, sondern lediglich unter drei Überschriften zusammengefaßt

3. mit der Förderung von Stadtteilen, die eine besondere soziale
Problematik aufweisen, wird zudem massiv gegen das Subsidiaritätsprinzip
verstoßen

4. es wird die Absicht der Kommission deutlich, die Regionalpolitik der
Mitgliedstaaten über die Wettbewerbskontrolle möglichst auf eine
Kofinanzierung der Strukturfonds zu beschränken.

5. die bekannten Schwächen der Strukturfonds wie - die Bindung der
Förderung an die politischen Prioritäten der Kommission und nicht an die
regionalen Erfordernisse; - ein Regionsraster, das Stadt-Umland-Beziehungen
zerschneidet;- Indikatoren, die insbesondere ländliche Räume
benachteiligen, sowie - extrem aufwendige Antrags- und
Überwachungsverfahren werden nicht beseitigt, sondern noch verschärft.

6. die Kommission hat sich mit der Beschäftigungspolitik ein weiteres
regionales Betätigungsfeld eröffnet, dabei stellt sie jedoch vornehmlich
auf die Instrumente einer aktiven Arbeitsmarktpolitik ab

7. die Notwendigkeit einer derartigen Politik auf Gemeinschaftsebene
theoretisch nicht hinreichend nachgewiesen. Aufgrund der sehr
unterschiedlichen Formen und Ursachen der Arbeitslosigkeit in den
Mitgliedsländern, der starken Ausweitung des Partnerschaftsprinzips
(Einbeziehung der karitativen Verbände, Sozialpartner und
Gebietskörperschaften in die Begleitausschüsse) und der erheblichen
Kontrollkosten sind Zweifel an der Effizienz dieser Politik angebracht.

8. Es soll ausschließlich in Regionen interveniert werden, die nicht unter
die Regelförderung der Strukturfonds fallen. So kommt es letztlich
insgesamt zu einer flächendeckenden Förderung der Regionen und damit zu
einer weiteren Effizienzminderung der Interventionen der Strukturfonds.

9. die Förderung der Beitrittskandidaten (Erhöhung der Sicherheit nuklearer
Energiererzeugungsanlagen, Know how-Transfer, Ausbau von Infrastrukturen,
die den Anschluß an das EU-Gebiet sicherstellen, Beeinflussung der
Agrarstruktur) spiegelt eher die Präferenzen der EU-Kommission wider, die
nicht immer den Bedürfnissen dieser Länder entsprechen.

10. trotz sehr optimistischer Wachstumsannahmen der Kommission für den
Zeitraum von 2000 bis 2005 (2,5 vH in der EU, 4 vH in den Beitrittsländern)
wird es zu einer erheblichen Mehrbelastung der nationalen Haushalte durch
die Finanzierung der EU-Strukturfonds kommen. Sollte die Wachstumsrate
unter 1,7 vH sinken, wäre die Strukturpolitik ohne eine Anhebung der
derzeitigen Eigenmittelobergrenze von 1,27 vH des BSP nicht mehr
finanzierbar.

Die RWI-Experten fordern die vier existierenden Fonds zusammenzulegen und
durch Kredite der Europäischen Investitionsbank zu ergänzen. Der
Finanzausgleich solle dann über die nationalen Regierungen an die
förderungswürdigen Regionen weitergeleitet werden und die Auswahl solle
sich an einem kombinierten Arbeitsmarkt- und Einkommensindikator
orientieren.

Zur Begrenzung der Förderung solle insgesamt ein Bevölkerungsanteil von 35
vH nicht überschritten werden, und die einem Mitgliedsstaat zufließenden
Mittel sollten 3 vH des nationalen BSP nicht übertreffen, um dessen
Absorptionsfähigkeit nicht zu überfordern.

Dieser Vorschlag vereinfache nicht nur das Antrags- und
Überwachungsverfahren erheblich, sondern verlagere auch die politische
Verantwortung für den Mitteleinsatz in die Regionen.

Bei einem so initiierten "Wettbewerb der Regionen" besteht eine größere
Chance, endogene Entwicklungsprozesse einzuleiten, so die RWI
Wissenschaftler.

 


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